Kleiner Leuchtturm gibt es als Idee schon
seit 1999. Damals haben wir Berater, Markus und Nicole
Schenderlein, noch im Ruhrgebiet gelebt, geheiratet und uns als
Ehepaar neu orientiert. Wir wussten, wir wollten Menschen in
Krisenzeiten ein Zuhause geben. Wie genau, war noch nicht klar,
aber wir ließen uns vorsichtshalber im Internet die Seiten
„Kleiner-Leuchtturm“ und „Gut Gestrandet“ sichern.
Heute heißt unsere Beratungsstelle „Kleiner Leuchtturm“ und unser
Haus, in dem sich diese Beratungsstelle befindet „Gut Gestrandet“.
Unser Gedanke dahinter war, Menschen in Krisenzeiten wie ein
Leuchtturm Orientierung zu bieten an einem Ort, an dem sie gut
stranden können, wenn die Wellen des Lebens höher schlagen und
man das Gefühl hat unterzugehen.
Aus Scheiße Gold machen
Denn diese Lebenszeiten haben auch wir erlebt: Markus hatte 1995
während einer Mitarbeiterfreizeit unserer damaligen
Kirchengemeinde einen Motorradunfall und ist seitdem
querschnittsgelähmt. Ein Jahr später ermordete Nicoles Großvater
seine Ehefrau, Nicoles Großmutter, was für die gesamte Familie
traumatisch war. Heute wissen wir von einer
Persönlichkeitsstörung, aber damals kannten wir uns in diesem
Bereich noch nicht aus.
Wie bekommt man das unter die Füße, nie wieder im Leben laufen und
ab Brust abwärts nichts mehr spüren zu können? Wie bewältigt man
die Trauer und den Schock, wenn in der eigenen Familie ein Mord
geschieht?
Wir beschlossen, diese Krisen als Chancen für andere zu nutzen, die
Ähnliches erlebt hatten. Wer kann einem anderen besser zur Seite
stehen, der in der Scheiße steckt, als jemand, der schon mal bis
zum Hals drin war? Wir waren überzeugt: Gott kann aus Scheiße
Gold machen. Also wagten wir einen Neuanfang in Ostfriesland.
Ein Haus zum Verlieben
Nachdem wir uns im Ruhrgebiet und Münsterland ein Jahr lang über 80
Häuser angesehen hatten, fanden wir unser Haus im Internet.
Damals waren die Immobilienportale noch sehr neu. Eigentlich
wollten wir erst nach Ostfriesland ziehen, wenn wir in Rente
gehen, aber aus Frustration heraus, weil wir bisher kein
geeignetes Haus gefunden haben, gaben wir die für uns mit
Rollstuhl erforderlichen Angaben ein und fanden: nur ein
einziges Haus in ganz Ostfriesland.
Wir fuhren hin und verliebten uns schlagartig darin. Es bot genug
Raum für uns und unsere Familienplanung, aber auch extra Räume
für unseren Traum von „Kleiner Leuchtturm“. Uns war bewusst, das
Haus ist alt und wir würden darin investieren müssen, aber
Markus hatte von seinem Unfall noch eine Versicherungssumme zur
Verfügung, um den ersten Bauabschnitt zu finanzieren. Bei der
Berechnung der monatlichen Abzahlung wurde außerdem
berücksichtigt, dass wir weiteres Geld ansparen können, um nach
zehn Jahren auch das Dach und weitere Gebäudeteile ausbauen zu
können.
Alles lief super: Markus´ Kostenträger berechnete einen Zuschuss
für die behindertengerechten Umbaumaßnahmen, die Bank gab grünes
Licht für den Kredit, wir begannen zu renovieren und zogen im
April 2001 um. Doch schon im Juli war unser Leben im neuen Haus wieder vorbei:
Krüppel Hoch Vier
Markus kam mit einer lebensbedrohlichen Blutvergiftung ins
Krankenhaus nach Herdecke. Er hatte beim Parkett verlegen die
Scherkräfte unterschätzt und sich bereits im Winter am Gesäß
eine Wunde zugezogen. Sie war zwar verheilt, aber es ging ihm
körperlich immer schlechter. Ein Arzt diagnostizierte eine
Grippe und verschrieb ihm Antibiotika. Einen Monat später
platzte die Oberfläche der ehemaligen Wunde und darunter befand
sich ein faustgroßes schwarzes Loch.
Ein halbes Jahr lang schwebte Markus in Lebensgefahr. Nach zehn
Monaten konnte er das Krankenhaus lebend verlassen – aber um
zehn Zentimeter kürzer, weil die Sepsis einen Brustwirbel und
einen Hüftknochen „zersetzt“ hatte. Jahrelang konnte er sich
nicht von der Seite im Spiegel ansehen: Plötzlich hatte er einen
Buckel und sein eines Bein war fünf Zentimeter kürzer als das
andere.
Diese Stauchung des Körpers hatte auch Auswirkung auf die Organe:
Er konnte nicht mehr husten, schlechter atmen und weniger essen.
Die Wunde an der Hüfte blieb chronisch offen und musste weiter
versorgt werden. Erst seit 2014 ist sie „richtig“ zu. Markus
musste sich mehrere Jahre lang jeden Tag mehrmals hinlegen, um
die Wunde zu entlasten, und es dauerte vier Jahre, bis sich
sein Blutwert wieder normalisiert hatte.
In der Sackgasse
In dieser Zeit hatten wir wenige Möglichkeiten, in Richtung
„Kleiner Leuchtturm“ zu denken. Sozialen Rückhalt hatten wir
hier in Ostfriesland noch nicht und wegen der
Einschränkungen konnten wir auch keine zuverlässigen Aufgaben in
Kirchengemeinden
annehmen. Körperlich und sozial gesehen waren
wir am Ende – aber auch finanziell:
Während der zehn Monate im Krankenhaus waren Bezüge weggefallen,
die das Haus finanzierten. Gleichzeitig gab es einen
Rechtsstreit innerhalb der Organisation des Kostenträgers, weil
die zuständige Sachbearbeiterin uns finanzielle Zusagen gemacht
hatte, die gar nicht belegt werden konnten. Letztendlich bekamen
wir nur einen Bruchteil der ehemals veranschlagten Zuschüsse.
Statt nun also nach und nach das Haus weiter auszubauen, war
unser Erspartes weg und wir mussten einen zusätzlichen Kredit
aufnehmen, den wir erst vor zwei Jahren ablösen konnten.
Seitdem leben wir in einem halb ausgebauten Haus ohne Möglichkeiten
es zu renovieren. Für Kleiner Leuchtturm bedeutete das: Weder
die Räumlichkeiten nutzen können, noch die nötigen Ausbildungen
machen, weshalb Nicole weiter in ihrem ursprünglichen Beruf als
Journalistin und später als Redakteurin arbeitete.
Kleine Schritte
Kleiner Leuchtturm lag fast zehn Jahre brach und setzte Staub und
Spinnenweben an, bis uns Freunde Mut machten, vielleicht doch
nach und nach, Schritt für Schritt nebenbei unsere ursprüngliche
Berufung anzunehmen. Also begannen wir immer wieder etwas
anzusparen, um Ausbildungen zu finanzieren, und richteten mit
Spenden von Freunden einen Raum in unserem Wohnbereich für
Beratungsgespräche ein.
Ende 2007 informierten wir unsere Bekannten und Freunde von unserem
Vorhaben und baten um einen Unterstützerkreis. Über einen
befreundeten Verein konnten Spendenbescheinigungen ausgestellt
werden, um eine Art „Patenschaft“ für die Ratsuchenden zu
übernehmen. Denn das war uns wichtig: Wir wollten in dieser
ländlichen Region eine soziale Lücke schließen – Menschen, die
in Krisenzeiten kein Geld für professionelle Beratung haben,
sollten erst recht die Möglichkeit für Seelsorge und Beratung
bekommen. Denn wir wussten ja selbst, wie es war und ist,
finanziell belastend zu leben.
Das ist zugegebenermaßen bis heute schon etwas verrückt: Wir haben
selbst finanzielle Einschränkungen und arbeiten trotzdem auf
Spendenbasis. Leicht ist das nach wie vor nicht, weil immer mal
wieder Leuchtturmwärter ihre Spenden einstellen müssen, aber
unsere Erfahrung seit acht Jahren beweist: Die meisten unserer
Klienten hätten wenig Chancen auf eine professionelle Beratung
in Krisenzeiten, wenn es uns nicht gäbe. Also machen wir weiter.
Zum Leben erwacht
Nach drei Jahren Beratungsarbeit in unserem kleinen Nebenraum wurde
die Nachfrage so groß, dass wir sie auch mit einer Warteliste
nicht mehr bewältigen konnten. Schließlich betraten wir seit
fast zehn Jahren wieder die vorderen Räumlichkeiten unseres
Hauses und ließen sie von einem bekannten Bauunternehmen
durchchecken: Was musste mindestens gemacht werden, um sie mit
Leben zu füllen?
Gleichzeitig zogen wir
von unserem „Geburtsverein“ zum Fachverband „Weisses Kreuz e.V.“
um, der jetzt die Verwaltung unserer Spenden übernahm. Mithilfe
einer Spendenaktion kam nach und nach Geld für die Materialien
zusammen und mit zwei Hand voll Helfern renovierten wir die
Räumlichkeiten Stück für Stück, sodass wir schließlich unseren
fünften Geburtstag in unserer Beratungsstelle feiern konnten.
Die Namen unserer Helfer und Spender findet man heute im Flur der
Beratungsstelle als eine Art Bordüre. Damit sagen wir Danke.
Ohne unsere Spender, Freunde und Beter hätten wir es nie
geschafft, dass Kleiner Leuchtturm heute das ist, was es ist.
Altlasten abbauen
Die Vergangenheit holt uns aber immer wieder ein. Aktuell muss
dringend unser Dach gedeckt und gedämmt werden. 2014 haben wir
eine Spendenaktion dafür gestartet und im Mai 2015 ist
tatsächlich das Geld für den Dachbereich über unserer
Beratungsstelle zusammengekommen. Da wir aber mit unseren
monatlichen Spenden immer noch nicht unser Einkommen decken
können und mit Zusatzjobs Geld dazuverdienen müssen, ist eine
Finanzierung der Renovierung zurzeit noch nicht realisierbar.
Wir hoffen und beten, dass sich diese finanzielle Lücke langfristig
für uns füllt, denn die Nachfragen für Beratungsplätze sind nach
wie vor hoch. Außerdem haben wir noch einiges vor: Wir möchten
zusätzlich zu unserer Beratungsarbeit noch mehr in die
Prävention gehen. Mit drei speziellen
Schulungen wollen wir dafür sorgen, dass Menschen für Lebens-
und Glaubenskrisen besser gerüstet sind – von Geburt an.
Wir glauben weiter daran, dass Gott aus Scheiße Gold machen kann,
und werden so lange weitermachen, wie es finanziell möglich ist.
Du kannst dabei mithelfen, indem du für unsere Arbeit betest,
dich informierst, oder Leuchtturmwärter wirst. Wir brauchen
dringend mehr Menschen, die unser Licht am Brennen halten.
Machst du mit und wirst Teil unserer Geschichte?